Gymnocladus canadensis: zu müde, um ihren Kopf zu halten

von Maarten van de Meer

 

Eine siebzig Jahre alte Frau kommt wegen Nierenproblemen. Ihre Ureter sind nach wiederholten Infektionen durch Narbengewebe verschlossen. Vor sieben Jahren wurden zwei Katheter eingelegt. Sie ist auf ständige Behandlung mit Antibiotika angewiesen und zwei Mal pro Jahr müssen die Katheter ersetzt und die Ureter gereinigt werden. Sie quält sich täglich mit starken Schmerzen.

   


Equisetum

Diese Beschwerden wurden mit Equisetum D12 behandelt; diese Potenz war ursprünglich verschrieben worden, weil sie als einzige zur Verfügung stand. Das Mittel schien gut zu wirken: die Schmerzen ließen nach, das Antibiotikum konnte abgesetzt werden, das Wachstum des Narbengewebes verringerte sich und die Katheter mussten  nur noch einmal im Jahr ersetzt werden (als Vorsichtsmaßnahme). Die Zystitis trat jedoch weiterhin immer wieder auf und besserte sich nur teilweise durch andere homöopathische Mittel: Sarsaparilla, Cantharis, Terbentina, Solidago, Senecio und Berberis. Uva Ursi wurde als pflanzliche Tinktur gegeben und wiederholte Gaben von Equisetum reichten aus, um die Situation unter Kontrolle zu halten. Dennoch mussten immer noch ein- bis zweimal jährlich Antibiotika eingesetzt werden.
 

Falldarstellung

Ihr Ehemann starb vor zwanzig Jahren. Sie lebt allein von einem gut gehenden Franchise-Geschäft. Letztes Jahr hatte sie einen Herzinfarkt. Wenn die Putzfrau kommt, hilft sie bei der Hausarbeit mit; sie arbeitet gern mit ihr zusammen. Sonst sitzt sie nur da, weil sie fast immer müde ist. Die Schmerzzustände sind wechselhaft, es gibt Tage mit und Tage ohne Schmerzen. Ihre Herz-Beschwerden, gegen die sie Nitrobat einnimmt, kehrten infolge einer lebensbedrohlichen Situation im Zusammenhang mit ihren Enkeln zurück, durch die sie sehr angespannt ist.

Sie hat das Gefühl, als ob sie nur noch aus Nerven bestünde. Einerseits hat sie das Bedürfnis, alles in ihrer Macht stehende für die Enkel zu tun, andererseits ist sie meistens so müde, dass sie nur noch auf dem Sofa liegen will. Seufzend sagt sie, dass ihr oft der Mut fehle, den Tag zu beginnen und dass ihr die Freude an den kleinen Dingen des Lebens abhanden gekommen sei. Sie weiß nicht, ob sie stark genug ist, um ihren Alltag zu bewältigen, mit all dem fertig zu werden, was jeden Tag getan werden muss. Sie beginnt jeden Morgen, tut was sie kann, stellt dann fest, dass es ihr zu viel wird und muss sich wieder hinlegen.
 

Doch von Zeit zu Zeit gelingt es ihr, sich aufzurappeln und enthusiastisch und mit Nachdruck ihre Aufgaben anzugehen. Mit ihren Kindern will sie nicht über ihre Sorgen und über ihre Situation sprechen, sie will keine Mutter sein, um die sich die Kinder kümmern müssen. Während sie spricht, seufzt sie ständig und legt den Kopf in die aufgestützten Hände, mit den Ellbogen auf dem Tisch. Sie sieht aus wie ein zarter, zerbrechlicher kleiner Vogel. Sie fühlt die Müdigkeit in allen Knochen, bis in die Hände und Füße hinein. Sie muss den Kopf wegen der Schmerzen im Nacken häufig aufstützen. Nach vielen Jahren des Zögerns hat sie jetzt  endlich beschlossen, in ein kleineres Haus umziehen, weil sie mit dem großen Haus nicht mehr zurecht kommt.

Analyse

Ihre Haltung und die Situation der letzten Jahre passen zur Thematik der Fabaceae: die überwältigende Müdigkeit, der Wille, weiterzumachen, obwohl sie müde ist, ihre freudlose Situation und die Tatsache, dass sie es hasst, um Hilfe zu bitten. Viel lieber möchte sie selbst alles im Griff haben. Sie findet es normal, finanziell und emotional allein zurecht zu kommen und ihr Leben selbst zu bewältigen. Sie denkt überhaupt nicht daran, die Beschränkungen, die einem durch das Alter auferlegt werden hinzunehmen. Die Zweifel, wie sie weiter machen soll, die Verzögerung von Entscheidungen, immer wieder etwas beginnen und dann wieder lassen, die Veränderlichkeit ihrer Beschwerden, alles das passt zu Stadium 5. Die Müdigkeit und die Notwendigkeit, ihren Kopf in die Hände zu stützen, entspricht Gymnocladus.

Verordnung: Gymnocladus Canadensis 200 K(1), Einmalgabe

Follow-up
Ihre Energie und ihr Gefühl von innerem Frieden steigen auffallend an. Sie bewältigt den Umzug ohne Probleme und beklagt sich nicht mehr über Müdigkeit. Die Harnwegsinfektionen sind stark zurückgegangen, und sie kommt erst vier Jahre später wieder, diesmal jedoch wegen Arthrose. In der Zwischenzeit hatte ich ihre Enkel gesehen, die positiven Bericht über ihr Wohlbefinden erstatteten. Die Arthrose scheint eine Folge ihrer  Infektionen zu sein, und dies spricht gut auf Pyrogenium an. Die Blasen- und Nierenproblematik wird nach wie vor mit Hilfe von Equisetum unter Kontrolle gehalten.

**************************************************************************
(1) Korsakoff
**************************************************************************

Kategorie: Fälle
Stichwörter: Erschöpfung, Nervosität, Freudlosigkeit, Unabhängigkeit
Mittel: Gymnocladus canadensis

 

 

 

Gymnocladus canadensis: zu müde, um ihren Kopf zu halten

von Maarten van de Meer

 

Eine siebzig Jahre alte Frau kommt wegen Nierenproblemen. Ihre Ureter sind nach wiederholten Infektionen durch Narbengewebe verschlossen. Vor sieben Jahren wurden zwei Katheter eingelegt. Sie ist auf ständige Behandlung mit Antibiotika angewiesen und zwei Mal pro Jahr müssen die Katheter ersetzt und die Ureter gereinigt werden. Sie quält sich täglich mit starken Schmerzen.

   


Equisetum

Diese Beschwerden wurden mit Equisetum D12 behandelt; diese Potenz war ursprünglich verschrieben worden, weil sie als einzige zur Verfügung stand. Das Mittel schien gut zu wirken: die Schmerzen ließen nach, das Antibiotikum konnte abgesetzt werden, das Wachstum des Narbengewebes verringerte sich und die Katheter mussten  nur noch einmal im Jahr ersetzt werden (als Vorsichtsmaßnahme). Die Zystitis trat jedoch weiterhin immer wieder auf und besserte sich nur teilweise durch andere homöopathische Mittel: Sarsaparilla, Cantharis, Terbentina, Solidago, Senecio und Berberis. Uva Ursi wurde als pflanzliche Tinktur gegeben und wiederholte Gaben von Equisetum reichten aus, um die Situation unter Kontrolle zu halten. Dennoch mussten immer noch ein- bis zweimal jährlich Antibiotika eingesetzt werden.
 

Falldarstellung

Ihr Ehemann starb vor zwanzig Jahren. Sie lebt allein von einem gut gehenden Franchise-Geschäft. Letztes Jahr hatte sie einen Herzinfarkt. Wenn die Putzfrau kommt, hilft sie bei der Hausarbeit mit; sie arbeitet gern mit ihr zusammen. Sonst sitzt sie nur da, weil sie fast immer müde ist. Die Schmerzzustände sind wechselhaft, es gibt Tage mit und Tage ohne Schmerzen. Ihre Herz-Beschwerden, gegen die sie Nitrobat einnimmt, kehrten infolge einer lebensbedrohlichen Situation im Zusammenhang mit ihren Enkeln zurück, durch die sie sehr angespannt ist.

Sie hat das Gefühl, als ob sie nur noch aus Nerven bestünde. Einerseits hat sie das Bedürfnis, alles in ihrer Macht stehende für die Enkel zu tun, andererseits ist sie meistens so müde, dass sie nur noch auf dem Sofa liegen will. Seufzend sagt sie, dass ihr oft der Mut fehle, den Tag zu beginnen und dass ihr die Freude an den kleinen Dingen des Lebens abhanden gekommen sei. Sie weiß nicht, ob sie stark genug ist, um ihren Alltag zu bewältigen, mit all dem fertig zu werden, was jeden Tag getan werden muss. Sie beginnt jeden Morgen, tut was sie kann, stellt dann fest, dass es ihr zu viel wird und muss sich wieder hinlegen.
 

Doch von Zeit zu Zeit gelingt es ihr, sich aufzurappeln und enthusiastisch und mit Nachdruck ihre Aufgaben anzugehen. Mit ihren Kindern will sie nicht über ihre Sorgen und über ihre Situation sprechen, sie will keine Mutter sein, um die sich die Kinder kümmern müssen. Während sie spricht, seufzt sie ständig und legt den Kopf in die aufgestützten Hände, mit den Ellbogen auf dem Tisch. Sie sieht aus wie ein zarter, zerbrechlicher kleiner Vogel. Sie fühlt die Müdigkeit in allen Knochen, bis in die Hände und Füße hinein. Sie muss den Kopf wegen der Schmerzen im Nacken häufig aufstützen. Nach vielen Jahren des Zögerns hat sie jetzt  endlich beschlossen, in ein kleineres Haus umziehen, weil sie mit dem großen Haus nicht mehr zurecht kommt.

Analyse

Ihre Haltung und die Situation der letzten Jahre passen zur Thematik der Fabaceae: die überwältigende Müdigkeit, der Wille, weiterzumachen, obwohl sie müde ist, ihre freudlose Situation und die Tatsache, dass sie es hasst, um Hilfe zu bitten. Viel lieber möchte sie selbst alles im Griff haben. Sie findet es normal, finanziell und emotional allein zurecht zu kommen und ihr Leben selbst zu bewältigen. Sie denkt überhaupt nicht daran, die Beschränkungen, die einem durch das Alter auferlegt werden hinzunehmen. Die Zweifel, wie sie weiter machen soll, die Verzögerung von Entscheidungen, immer wieder etwas beginnen und dann wieder lassen, die Veränderlichkeit ihrer Beschwerden, alles das passt zu Stadium 5. Die Müdigkeit und die Notwendigkeit, ihren Kopf in die Hände zu stützen, entspricht Gymnocladus.

Verordnung: Gymnocladus Canadensis 200 K(1), Einmalgabe

Follow-up
Ihre Energie und ihr Gefühl von innerem Frieden steigen auffallend an. Sie bewältigt den Umzug ohne Probleme und beklagt sich nicht mehr über Müdigkeit. Die Harnwegsinfektionen sind stark zurückgegangen, und sie kommt erst vier Jahre später wieder, diesmal jedoch wegen Arthrose. In der Zwischenzeit hatte ich ihre Enkel gesehen, die positiven Bericht über ihr Wohlbefinden erstatteten. Die Arthrose scheint eine Folge ihrer  Infektionen zu sein, und dies spricht gut auf Pyrogenium an. Die Blasen- und Nierenproblematik wird nach wie vor mit Hilfe von Equisetum unter Kontrolle gehalten.

**************************************************************************
(1) Korsakoff
**************************************************************************

Kategorie: Fälle
Stichwörter: Erschöpfung, Nervosität, Freudlosigkeit, Unabhängigkeit
Mittel: Gymnocladus canadensis

 

 

 




Comments







Aktuelle Artikel aus der Homöopathie

zurück zurück zur Übersicht