Die Verwendung von Träumen in der homöopathischen Behandlung

von Jane Tara Cicchetti
 
Homöopathen haben seit Hahnemanns Zeiten Träume einbezogen. Unsere Repertorien und Arzneimittelprüfungen enthalten viele Verweise auf Träume, doch gibt es viele offene Fragen, wie man Träume zum Auffinden des Simillimums effektiv nutzen kann. Ich möchte erläutern, warum wir Träume mehr als früher nutzen sollten, und zeige einige Techniken, die beim Einbeziehen von Träumen in die homöopathische Behandlung helfen können. Zum Schluss stelle ich einen Fall vor, wo das Mittel durch einen Traum gefunden wird, und gebe Anregungen für die Entwicklung der Fähigkeit, Träume zu verwenden.
 

Vieles, was ich über die Verwendung von Träumen weiß, habe ich von meinem Mentor und Vorgesetzten, dem Jungschen Analytiker V. Walter Odajnyk gelernt. Dr. Odajnyk ist Analysand sowohl von Marie Louise von Franz, als auch von Edward Edinger, die bekannte Kollegen von Carl Jung waren. Ich danke allen vieren für ihre Forschung und Lehre.

 

Warum beziehen wir Träume in die Anamnese ein?

 

Unsere Vorgänger fragten nach dem Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln, nach dem körperlichen Befinden und nach seelischen Empfindungen und bekamen oft klare, verständliche Antworten. Heutzutage ist es ungewöhnlich für einen Homöopathen, einen Patienten zu behandeln, dessen geistige, allgemeine und körperliche Symptome nicht unterdrückt sind. Wir leben in einer sehr komplexen und über-therapierten Gesellschaft, in der kein körperliches Symptom oder Gemütssymptom unbehandelt bleibt. Die meisten Menschen leben heute ein Leben, das so weit von der Natur entfernt ist, dass die Symptome intellektualisiert und unzuverlässig geworden sind, was es schwierig macht, zum richtigen Mittel zu gelangen.

 

Glücklicherweise können wir unsere Träume nicht manipulieren. Wir können in unseren Träumen keine falsche Realität erschaffen oder sie willentlich beeinflussen. Dinge, die im bewussten Leben unterdrückt werden, gelangen in das Unterbewusstsein und drücken sich häufig in Träumen aus. Denn der Traum ist ein Versuch des Organismus, sich selbst zu heilen, wenn er genutzt und genau analysiert wird. Trauminhalte können zu den  zuverlässigsten Symptomen eines Falls führen. Obwohl sie flüchtig und vergänglich zu sein scheinen, enthalten Träume tatsächlich objektive Fakten über den psychischen und physischen Zustand eines Menschen.

 

Carl Jung hielt es für sehr wahrscheinlich, dass es keine solchen Sachen wie Körper und Geist gibt, sondern dass beide vielmehr nur unterschiedliche Ausprägungen desselben Lebens sind und den gleichen Gesetzen unterliegen, und der Körper das tut, was im Kopf vorgeht. Diese Beziehung ist für Homöopathen einerseits schon ziemlich klar, andererseits aber benutzen wir Träume oft in einer Weise, die ein Gespür für diese Verbindung vermissen lässt. Wir verwenden den Traum, als ob er ein separates Symptom aus dem Kontext der Gesamtheit der Symptome wäre.

 
Wir brauchen Methoden, die uns helfen, Träume so zu verwenden, dass sie den „roten Faden, der durch den Fall läuft“ bereichern. Auf diese Weise einbezogen, geben uns die Träume ein klares Bild der Krankheit, führen uns zum Heilmittel und helfen uns, den Prozess, der sich gerade entwickelt zu verstehen.
 
 

Techniken der Traumdeutung

 

Ähnlich wie bei der homöopathischen Fallaufnahme sind Techniken der Traumanalyse eher Nicht-Techniken, sondern ein fundiertes und intelligentes „aus dem Weg treten“, um damit den Prozess sich entfalten zu lassen.
 
Einer der wichtigsten Ansätze zur Verwendung von Träumen ist es zu verstehen, dass kein Traum für sich allein steht. Es ist nur in Beziehung zum einzelnen Träumer sinnvoll. Auch wenn es in Träumen Symbole gibt, die bestimmte Bedeutungen haben, sind sie nur dann wertvolle Symptome, wenn dies richtig und hilfreich für den Träumer ist. Der Träumer muss mit der Traumanalyse einverstanden sein. Wenn der Träumer widerspricht oder nur so „lau“ zustimmt, kann es nicht verlässlich als homöopathisches Symptom verwendet werden.
 

Um genaue Informationen aus einem Traum zu erhalten, lassen wir den Patienten über seinen Traum sprechen und stellen nur hie und da kurze Zwischenfragen, wenn er stecken bleibt. Es ist der Träumer, der die Verbindungen im Traum herstellt, der die Teile des Puzzles zusammen bringt. Das entspricht bei der Fallaufnahme der Frage: „Was noch?“ Wenn man dies auf die Traumanalyse anwendet, heißt es: „Ich weiß nicht, was das bedeutet, was Sie damit meinen." Oder: „Was verbinden Sie mit (diesem oder jenem) Aspekt des Traumes?" Wenn der Prozess fortschreitet, entfalten sich die Informationen, und wenn der Homöopath seinen „ich-weiß-nicht“-Modus lange genug aufrechterhält, kann sich ein ganz überraschendes und vollständiges Bild ergeben.

Träume, die während der homöopathischen Anamnese erzählt werden, sind auf subtile Weise anders als die Träume, die für die Psychotherapie geträumt werden. Dies liegt daran, dass der Träumer den Traum für sich selbst und für den Therapeuten träumt. Bei der homöopathischen Anamnese weiß die Psyche des Träumers, dass wir in der Homöopathie im symbolischen Bereich arbeiten, so dass die Informationen oft mit Bildern über das Mittel kodiert werden. Außerdem werden sich die Assoziationen des Patienten eher auf das Mittel richten.

All dies spielt sich auf einer Ebene ab, die unterhalb des bewussten Verstandes liegt; es trifft aus der Mitte der Seele des Patienten auf die rezeptive Psyche des Homöopathen. Je empfänglicher die Psyche des Homöopathen für die Dynamik und die Wechselwirkungen des Traumzustandes ist, desto intensiver wird sich dieser Prozess gestalten. Die Psyche hat ihre eigene Intelligenz und öffnet sich nicht denjenigen, die nicht hören können oder wollen, was sie einem unvoreingenommenen Ohr zu sagen hat.

 
Das Reich der Symbole
 

Wenn wir mit Träumen arbeiten, treten wir in die Welt der Bilder und Symbole ein, ein primärer Weg, der die Menschen ihre innere und äußere Welt erfahren lässt. Dieses symbolische Reich ist pre-verbal und hat oft eine größere Realität als sie sich in einer linearen Form ausdrücken könnte. Symbole und Bilder, die so fundamental sind, dass sie eine Verbindung zwischen Geist und Körper zeigen, können uns in die Realität eines individuellen Dilemmas führen. Symbole werden von Carl Jung als Ausdruck eines spontanen Erlebnisses definiert, das über sich selbst hinaus weist - und über die Begrenzungen des rationalen Denkens hinausgeht. Sie sind die beste Beschreibung einer unbekannten Tatsache.

 

Sehr oft ist aber gerade diese unbekannte Tatsache genau das, was wir wissen müssen, um das Simillimum zu finden. Der folgende Fall veranschaulicht, wie die Symbolik in einem Kindheitstraum nicht nur zum Simillimum führt, sondern uns auch zu verstehen hilft, was beim einzelnen Menschen geheilt werden muss.

 
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Dieser Artikel und dieser Fall wurden zunächst in Simillimum, 1999, veröffentlicht.
 
Literatur:
 
Chevalier, Jean und Gheerbrant, Alain, Lexikon der Symbole, New York, Penguin Books, 1996
 
Jung, CG, Die Praxis der Psychotherapie, Princeton NJ, Princeton University Press. 1985
 
Whitmont, MD, Edward C. The Symbolic Quest,  Princeton, NJ, Princeton University Press. 1991
 
Von Franz, Marie-Louise, The Way of the Dream, Boston, Mass Shambhala Publications, 1992
 
 

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Kategorien: Allgemein
Schlüsselwörter: Traumdeutung, Symbole, Carl Jung

Die Verwendung von Träumen in der homöopathischen Behandlung

von Jane Tara Cicchetti
 
Homöopathen haben seit Hahnemanns Zeiten Träume einbezogen. Unsere Repertorien und Arzneimittelprüfungen enthalten viele Verweise auf Träume, doch gibt es viele offene Fragen, wie man Träume zum Auffinden des Simillimums effektiv nutzen kann. Ich möchte erläutern, warum wir Träume mehr als früher nutzen sollten, und zeige einige Techniken, die beim Einbeziehen von Träumen in die homöopathische Behandlung helfen können. Zum Schluss stelle ich einen Fall vor, wo das Mittel durch einen Traum gefunden wird, und gebe Anregungen für die Entwicklung der Fähigkeit, Träume zu verwenden.
 

Vieles, was ich über die Verwendung von Träumen weiß, habe ich von meinem Mentor und Vorgesetzten, dem Jungschen Analytiker V. Walter Odajnyk gelernt. Dr. Odajnyk ist Analysand sowohl von Marie Louise von Franz, als auch von Edward Edinger, die bekannte Kollegen von Carl Jung waren. Ich danke allen vieren für ihre Forschung und Lehre.

 

Warum beziehen wir Träume in die Anamnese ein?

 

Unsere Vorgänger fragten nach dem Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln, nach dem körperlichen Befinden und nach seelischen Empfindungen und bekamen oft klare, verständliche Antworten. Heutzutage ist es ungewöhnlich für einen Homöopathen, einen Patienten zu behandeln, dessen geistige, allgemeine und körperliche Symptome nicht unterdrückt sind. Wir leben in einer sehr komplexen und über-therapierten Gesellschaft, in der kein körperliches Symptom oder Gemütssymptom unbehandelt bleibt. Die meisten Menschen leben heute ein Leben, das so weit von der Natur entfernt ist, dass die Symptome intellektualisiert und unzuverlässig geworden sind, was es schwierig macht, zum richtigen Mittel zu gelangen.

 

Glücklicherweise können wir unsere Träume nicht manipulieren. Wir können in unseren Träumen keine falsche Realität erschaffen oder sie willentlich beeinflussen. Dinge, die im bewussten Leben unterdrückt werden, gelangen in das Unterbewusstsein und drücken sich häufig in Träumen aus. Denn der Traum ist ein Versuch des Organismus, sich selbst zu heilen, wenn er genutzt und genau analysiert wird. Trauminhalte können zu den  zuverlässigsten Symptomen eines Falls führen. Obwohl sie flüchtig und vergänglich zu sein scheinen, enthalten Träume tatsächlich objektive Fakten über den psychischen und physischen Zustand eines Menschen.

 

Carl Jung hielt es für sehr wahrscheinlich, dass es keine solchen Sachen wie Körper und Geist gibt, sondern dass beide vielmehr nur unterschiedliche Ausprägungen desselben Lebens sind und den gleichen Gesetzen unterliegen, und der Körper das tut, was im Kopf vorgeht. Diese Beziehung ist für Homöopathen einerseits schon ziemlich klar, andererseits aber benutzen wir Träume oft in einer Weise, die ein Gespür für diese Verbindung vermissen lässt. Wir verwenden den Traum, als ob er ein separates Symptom aus dem Kontext der Gesamtheit der Symptome wäre.

 
Wir brauchen Methoden, die uns helfen, Träume so zu verwenden, dass sie den „roten Faden, der durch den Fall läuft“ bereichern. Auf diese Weise einbezogen, geben uns die Träume ein klares Bild der Krankheit, führen uns zum Heilmittel und helfen uns, den Prozess, der sich gerade entwickelt zu verstehen.
 
 

Techniken der Traumdeutung

 

Ähnlich wie bei der homöopathischen Fallaufnahme sind Techniken der Traumanalyse eher Nicht-Techniken, sondern ein fundiertes und intelligentes „aus dem Weg treten“, um damit den Prozess sich entfalten zu lassen.
 
Einer der wichtigsten Ansätze zur Verwendung von Träumen ist es zu verstehen, dass kein Traum für sich allein steht. Es ist nur in Beziehung zum einzelnen Träumer sinnvoll. Auch wenn es in Träumen Symbole gibt, die bestimmte Bedeutungen haben, sind sie nur dann wertvolle Symptome, wenn dies richtig und hilfreich für den Träumer ist. Der Träumer muss mit der Traumanalyse einverstanden sein. Wenn der Träumer widerspricht oder nur so „lau“ zustimmt, kann es nicht verlässlich als homöopathisches Symptom verwendet werden.
 

Um genaue Informationen aus einem Traum zu erhalten, lassen wir den Patienten über seinen Traum sprechen und stellen nur hie und da kurze Zwischenfragen, wenn er stecken bleibt. Es ist der Träumer, der die Verbindungen im Traum herstellt, der die Teile des Puzzles zusammen bringt. Das entspricht bei der Fallaufnahme der Frage: „Was noch?“ Wenn man dies auf die Traumanalyse anwendet, heißt es: „Ich weiß nicht, was das bedeutet, was Sie damit meinen." Oder: „Was verbinden Sie mit (diesem oder jenem) Aspekt des Traumes?" Wenn der Prozess fortschreitet, entfalten sich die Informationen, und wenn der Homöopath seinen „ich-weiß-nicht“-Modus lange genug aufrechterhält, kann sich ein ganz überraschendes und vollständiges Bild ergeben.

Träume, die während der homöopathischen Anamnese erzählt werden, sind auf subtile Weise anders als die Träume, die für die Psychotherapie geträumt werden. Dies liegt daran, dass der Träumer den Traum für sich selbst und für den Therapeuten träumt. Bei der homöopathischen Anamnese weiß die Psyche des Träumers, dass wir in der Homöopathie im symbolischen Bereich arbeiten, so dass die Informationen oft mit Bildern über das Mittel kodiert werden. Außerdem werden sich die Assoziationen des Patienten eher auf das Mittel richten.

All dies spielt sich auf einer Ebene ab, die unterhalb des bewussten Verstandes liegt; es trifft aus der Mitte der Seele des Patienten auf die rezeptive Psyche des Homöopathen. Je empfänglicher die Psyche des Homöopathen für die Dynamik und die Wechselwirkungen des Traumzustandes ist, desto intensiver wird sich dieser Prozess gestalten. Die Psyche hat ihre eigene Intelligenz und öffnet sich nicht denjenigen, die nicht hören können oder wollen, was sie einem unvoreingenommenen Ohr zu sagen hat.

 
Das Reich der Symbole
 

Wenn wir mit Träumen arbeiten, treten wir in die Welt der Bilder und Symbole ein, ein primärer Weg, der die Menschen ihre innere und äußere Welt erfahren lässt. Dieses symbolische Reich ist pre-verbal und hat oft eine größere Realität als sie sich in einer linearen Form ausdrücken könnte. Symbole und Bilder, die so fundamental sind, dass sie eine Verbindung zwischen Geist und Körper zeigen, können uns in die Realität eines individuellen Dilemmas führen. Symbole werden von Carl Jung als Ausdruck eines spontanen Erlebnisses definiert, das über sich selbst hinaus weist - und über die Begrenzungen des rationalen Denkens hinausgeht. Sie sind die beste Beschreibung einer unbekannten Tatsache.

 

Sehr oft ist aber gerade diese unbekannte Tatsache genau das, was wir wissen müssen, um das Simillimum zu finden. Der folgende Fall veranschaulicht, wie die Symbolik in einem Kindheitstraum nicht nur zum Simillimum führt, sondern uns auch zu verstehen hilft, was beim einzelnen Menschen geheilt werden muss.

 
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Dieser Artikel und dieser Fall wurden zunächst in Simillimum, 1999, veröffentlicht.
 
Literatur:
 
Chevalier, Jean und Gheerbrant, Alain, Lexikon der Symbole, New York, Penguin Books, 1996
 
Jung, CG, Die Praxis der Psychotherapie, Princeton NJ, Princeton University Press. 1985
 
Whitmont, MD, Edward C. The Symbolic Quest,  Princeton, NJ, Princeton University Press. 1991
 
Von Franz, Marie-Louise, The Way of the Dream, Boston, Mass Shambhala Publications, 1992
 
 

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